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Psychosoziale Gefährdungsanalyse

Muss das sein?

 

Die vermeintlich schlechte Nachricht: Jupp, das muss sein.

 

Die gute Nachricht – vor allem an die Dienststellenleitungen und skeptische Kolleginnen und Kollegen: Es tut überhaupt nicht weh!

 

Im Gegenteil, jeder kann sich davon überzeugen, das eine psychosoziale Gefährdungsanalyse sehr spannend sein kann. Dazu später mehr.

 

Die GdP ist primär für zwei Bereiche zuständig, bei denen wir leider enorm hohe Ausfallquoten beklagen. Das Bürger- und Ordnungsamt und die Ortspolizeibehörde.

 

Es gibt keine Analysen, woran unsere Kolleginnen und Kollegen erkranken, aber wir dürfen annehmen, dass es vor allem Muskel- und Skeletterkrankungen und zunehmend psychische Erkrankungen sind, die die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen. Selbst die hartgesottensten Schulmediziner bestreiten übrigens nicht mehr den psychosomatischen Zusammenhang einer Vielzahl von Erkrankungen.

 

Technisch sind wir inzwischen vor allem bei den Büroarbeitsplätzen relativ gut ausgestattet. Trotzdem haben wir hohe Ausfallquoten. Es deutet daher vieles darauf hin, dass ein großer Anteil der Erkrankungen weniger durch falsche ergonomische Ausstattungen der Arbeitsplätze als vielmehr durch psychische Belastungen verursacht werden.

 

Nun ist der Arbeitgeber nach  § 5 des Arbeitsschutzgesetzes verpflichtet Gefährdungen am Arbeitsplatz zu analysieren.  In der geltenden Fassung gehören dazu auch psychische Belastungen.

 

Um den § 5 des Arbeitsschutzgesetzes richtig interpretieren zu können, muss man wissen, was „psychische Belastungen“ sind, und was man unter „Gefährdungen“ verstehen muss.

 

Beginnen wir mit Letzterem.  Das Bundesarbeitsgericht hat Gefährdungen in Abgrenzung zur Gefahren definiert:

 

„Der Begriff der Gefährdung bezeichnet im Unterschied zur Gefahr die Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ohne bestimmte Anforderungen an ihr Ausmaß oder ihre Eintrittswahrscheinlichkeit." (BAG – 12.8.2008 9 AZR 11167/06)

 

Weiterhin heißt es in der Entscheidung:

 

„§ 5 ArbSchG dient nicht in erster Linie dazu, unmittelbare Gesundheitsgefahren zu verhüten. Durch die Gefährdungsbeurteilung werden vielmehr im Vorfeld Gefährdungen ermittelt, denen gegebenenfalls durch entsprechende Maßnahmen zu begegnen ist“

 

Der Begriff der „psychische Belastungen“ wird rechtsverbindlich in der ISO 10075 definiert. Danach versteht man unter „psychischer Belastung“ die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken.“

 

Nach der ISO müssen psychosoziale Gefährdungsanalysen folgende Merkmale und Inhalte beinhalten:

 

Merkmalsbereiche

Belastungsfaktoren

Arbeitsinhalt/Arbeitsaufgabe

Vollständigkeit der Aufgabe

 

Handlungsspielraum

 

Abwechslungsreichtum

 

Information/Informationsangebot

 

Verantwortung

 

Qualifikation

 

Emotionale Inanspruchnahme

Arbeitsorganisation

Arbeitszeit

 

Arbeitsablauf (Zeitdruck, Arbeitsintensität, Störungen bzw. Unterbrechungen)

 

Kommunikation/Kooperation

Soziale Beziehungen

zu den Kolleginnen und Kollegen

 

zu den Vorgesetzten

Arbeitsumgebung

Physikalische und chemische Faktoren

 

Psychische Faktoren

 

Arbeitsplatz- und Informationsgestaltung

 

Arbeitsmittel

 

 

Das Bundesarbeitsgericht hat sich auch zu den Rechten und Pflichten der Betriebsräte/ Personalräte geäußert:

 

„Aus dem Spielraum, den das Arbeitsschutzrecht einräumt, ergibt sich ein volles Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte beim Erarbeiten von Gefährdungsbeurteilungen (Bundesarbeitsgericht vom 8. Juni 2004, 1 ABR 13/03 und 04/03) sowie den daraus abzuleitenden Maßnahmen und Wirksamkeitskontrollen.“

Dieses Mitbestimmungsrecht bei der Gefährdungsbeurteilung setzt „nicht voraus, dass eine konkrete Gesundheitsgefahr bereits bestimmbar wäre“, so das BAG. Betriebsräte müssen auch dann beteiligt werden, „wenn keine konkrete Gesundheitsgefährdung feststellbar ist und die vom Arbeitgeber zu treffenden Maßnahmen lediglich mittelbar dem Gesundheitsschutz dienen.“

 

Für das Bundesarbeitsgericht steht fest, dass Betriebsräte/Personalräte mit Arbeitgebern keinen Verzicht auf die Erstellung solcher Beurteilungen vereinbaren können, denn die Pflicht zu ihrer Erstellung sei unabdingbar.

 

Damit dürfte klar sein, dass wir in beiden Bereichen, beim Bürger- und Ordnungsamt und bei der Ortspolizeibehörde darauf bestehen müssen, dass psychosoziale Gefährdungsanalysen erstellt werden.

 

Aber wie erstellt man eine psychosoziale Gefährdungsanalyse? Da ständen Dienststellenleitung und Personalrat natürlich wie der Ochs‘ vorm Berg, wenn es nicht andere Betriebe, Unternehmen und Behörden gäbe, die sich bereits frühzeitig an gesetzliche Vorgaben gehalten und damit erreicht haben, dass entsprechende wissenschaftliche Instrumente entwickelt wurden.

 

Vor dem Einstieg steht daher die Qual der Wahl der Methode. Im Groben unterscheidet zwischen

 

·         Beobachtung/Beobachtungsinterviews

·         Standardisierte Fragebögen

·         Moderierte Analyseworkshops

 

Alle Methoden, die man auch miteinander kombinieren kann, haben ihre Vor- und Nachteile. Es geht immer darum die zur Verfügung stehenden Ressourcen den Belastungen gegenüber zu stellen, aus deren Beziehung die individuelle Beanspruchung resultiert.

 

Die Ortspolizeibehörde ist in dieser Frage weiter als das Bürger- und Ordnungsamt, denn die Mitarbeiterbefragung des Index-Gute-Arbeit, die im nächsten Jahr wiederholt werden soll, baut auf die Analyse der Ressourcen und der Belastungen auf und ergänzt diese berechtigt um Gratifikationsfaktoren, weil Einkommen und Versorgung inzwischen wissenschaftlich anerkannt unbestritten als Faktoren psychischer Belastung anerkannt werden.

 

Bei der letzten Mitarbeiterbefragung hat die Ortspolizeibehörde im Übrigen bei den Gratifikationsmerkmalen extrem schlecht abgeschnitten. Ein Umstand, den sich die Finanzsenatorin als Dokument ihrer Psychotoxik vor Augen führen sollte.

 

Der Index-Gute-Arbeit eignet sich vor allem bei größeren Funktionsgruppen wie im Einsatz- oder Ermittlungsdienst ganz hervorragend als Instrument zur psychosozialen Gefährdungsanalyse, weil er nicht interpretiert werden muss, sondern eine eindeutige Aussage zur Gesundheitsgefährdung liefert. Was die psychosoziale Belastung bei der Ortspolizeibehörde anbelangt haben wir einen Anfang gemacht.

 

Beim Bürger- und Ordnungsamt haben wir bislang darum geworben, sich der Polizei anzuschließen. 2014 werden wir auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen bestehen.

 

Psychosoziale Gefährdungsanalyse klingt komplizierter, als es ist. Jeder kann bei sich selbst beginnen. Es gibt im Internet ein paar empfehlenswerte Seiten, auf denen man sehr leicht seine eigene Tätigkeit überprüfen kann:

 

www.copsoq.de

www.impulstest.at

 

Copsoq und Impulstest setzen den Fokus auf Belastungen und Ressourcen. Wer etwas darüber erfahren will, wie es um die eigene Arbeitsfähigkeit im Allgemeinen bestellt ist, dem empfehlen wir den WAI-Berechnungsbogen, den man unter folgendem Link herunterladen kann:

 

http://www.arbeitsfaehigkeit.uni-wuppertal.de/index.php

 

Last not least stellt sich wie immer die Frage: Und was soll das bringen?

 

Zunächst einmal hat der Arbeitgeber die Pflicht, Gefährdungen zu minimieren und Maßnahmen zur Verbesserung durchführen!

 

Selbst wenn das einfacher klingt als es ist, sind die Gefährdungsanalysen für uns als Gewerkschaft von elementarer Bedeutung, wenn wir die Interessen unserer vertreten wollen.

 

Ohne das Ergebnis der Analysen vorwegnehmen zu wollen, haben wir ziemlich klare Vorstellungen, welchen Belastungen unsere Kolleginnen und Kollegen ausgesetzt sind und uns fallen auch sehr schnell Bereiche ein, in denen es an Ressourcen mangelt.

 

Unser Eindruck ist, dass die Arbeit im Öffentlichen Dienst immer mehr verdichtet wurde. Dass es an Personal mangelt, das noch dazu nicht angemessen bezahlt wird. Wir beklagen Führungsprobleme und glauben, dass die Behördenkultur in einigen Bereichen verbesserungswürdig ist. Aber glauben heißt bekanntlich nicht wissen. Die Gefährdungsanalyse liefert uns zutreffende Daten über Ressourcen und Belastungen, die sich nicht mit den Worten weglächeln lassen: „Wir haben eine andere Wahrnehmung!“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

GdP-Kreisgruppe Bremerhaven